Der Domschatz

Geschichte

Der Essener Dom, die Kathedralkirche des 1958 errichteten Ruhrbistums Essen, blickt auf eine mehr als 1150-jährige Geschichte zurück. Am Beginn stand um 850 die Gründung einer religiösen Frauengemeinschaft, die im frühen und hohen Mittelalter zu den herausragenden religiösen Institutionen des Deutschen Reiches gehörte. Das Stift Essen, um das sich die Stadt Essen bildete, war seit dem 13. Jahrhundert ein Reichsfürstentum, das bis zur Säkularisation selbstständig blieb. Äbtissinnen und Stiftsfrauen beauftragten und stifteten den Ausbau der Münsterkirche und Kunstwerke zu ihrer Ausstattung. Der Schatz des Frauenstiftes gehört wie die Kirche selbst zu den wichtigsten Hinterlassenschaften des Stifts, die Mehrzahl der Kunstwerke befindet sich heute in der Domschatzkammer.

Mittelalter

Seit über 850 Jahren wird der Schatz der Essener Stiftskirche in der Schatzkammer, einem Anbau im Süden der Kirche, aufbewahrt.
Im Mittelalter lag der Haupteingang der Kirche im Südquerhaus zum Burgplatz hin. Durch dieses Tor betraten die Laien das Münster zu den Hochfesten, zur sonntäglichen Messe und zum Gebet. Im 12. Jahrhundert erhielt die Pforte eine gewölbte Vorhalle, die sich nach Süden über zwei Räume erstreckte. Sie diente als Ort für Rechtsgeschäfte. Im Obergeschoss befanden sich zwei gewölbte Räume, die nur von einem Laufgang im Kircheninneren zu betreten waren. Die beiden durch ihre Bauart gegen Brand und Einbruch gesicherten Räume enthielten die wichtigen Urkunden und den Schatz des Stifts. Das Obergeschoss nannte man auch Segeter oder Sechter, was sich vom lateinischen secretarium ableitet (geheimer Ort, auch Sakristei). Wo die Kostbarkeiten vor dem 12. Jahrhundert aufbewahrt waren, ist unbekannt. Möglicherweise dienten kleine Räume seitlich des ottonischen Westbaus als Aufbewahrungsort.
Zuständig für den Schatz waren nicht die 20 Stiftskanoniker, die der Liturgie in der Stiftskirche vorstanden, sondern die Stiftsfrauen selbst. Die thesauraria, die Schatzmeisterin, händigte den Kanonikern die Gefäße und Reliquiare aus und verschloss sie nach Gebrauch wieder. Ihr oblag auch die Reparatur und Pflege der Schatzstücke. Bis auf einen verheerenden Brand in der Frühzeit des Stiftes im Jahr 946 blieb der Schatz von Feuer und Kriegseinwirkungen weitgehend verschont.

Neuzeit

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, im Jahr 1622, wurde der Schatz aus Sicherheitsgründen zuerst nach Düsseldorf und im Anschluss daran nach Köln geflüchtet. 1794 ließ die von 1776 bis 1802 amtierende Äbtisin Maria Kunigunde aus Furcht vor Übergriffen durch die herannahenden Franzosen vorübergehend alle Schatzstücke ins fürstliche Archiv nach Steele bringen.
Am 3. August 1802 marschierten preußische Truppen in Essen ein und beendeten im Vorgriff auf den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 die Selbstständigkeit des reichsunmittelbaren Territoriums Essen. Es sollte mehrere Jahre dauern, bis die Auflösung der Kapitel und eine Neuordnung der Verhältnisse vollzogen waren. Der Stiftsschatz gelangte im Laufe dieser Zeit als Kirchenschatz in das Eigentum der katholischen Pfarrgemeinden St. Johann und St. Gertrud. Eine in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angedachte Aufteilung des Schatzes unter den beiden Pfarren wurde glücklicherweise nicht in die Tat umgesetzt. Stattdessen einigte man sich auf eine Entschädigungszahlung der Pfarre St. Johann an St. Gertrud, sodass die Objekte an der Münsterkirche verbleiben konnten.

20. Jahrhundert

Während des Ersten Weltkrieges blieb der Schatz in Essen. 1920 wurde jedoch aus Furcht vor Unruhen durch die sich in Essen bildende ‚Rote Armee‘ ein großer Teil des Essener Schatzes, darunter auch die Goldene Madonna, in Kisten und Koffer verpackt und an einen geheim gehaltenen Ort in Hildesheim gebracht. Erst im August 1925 kam er wieder nach Essen zurück.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Schatz bei Kriegsbeginn 1939 evakuiert und an verschiedenen Orten eingelagert, zunächst in Warburg, später in der Albrechtsburg in Meißen. Als die Ostfront näher rückte, wurden alle Stücke in ein ehemaliges Bergwerk nach Siegen transportiert. Von dort brachten die Amerikaner den Essener Schatz nach Ende des Krieges nach Marburg. Neuer Sicherungsort für die Kunstwerke war 1946 Schloss Dyck bei Rheydt, wo sie im Juni in der Ausstellung „Mittelalterliche Kunst am Niederrhein“ gezeigt wurden. 1949 waren Essener Schatzstücke auf Ausstellungen in Brüssel und Amsterdam zu sehen. Anfang 1950 kamen die Kunstwerke nach Essen zurück, wo sie nach einer umfassenden Restaurierung in der Stahlkammer der Städtischen Sparkasse aufbewahrt wurden. Im Sommer 1950 wurden sie anlässlich des Heiligen Jahres im Essener Rathaus ausgestellt, auch waren sie in diesem und in den Folgejahren in großen Ausstellungen in Amsterdam, Brüssel und Essen zu sehen.
Der Bau der heutigen Schatzkammer erfolgte in den 1950er Jahren und wurde 1959 vollendet. Dafür wurden die beiden Gewölberäume, die nach dem Vorbild des 12. Jahrhunderts völlig neu aufgebaut werden mussten, durch einen schmalen, zweigeschossigen Bau erweitert, der im Süden an das heutige Bischofshaus anschließt. Im März 1959 konnte der Essener Schatz in die neue Schatzkammer ziehen, die nun als Museum regelmäßig der Öffentlichkeit zugänglich war.

Gegenwart

Nach einer ersten Renovierungsphase 2002 begann der zweite Bauabschnitt im September 2007. Die Finanzierung beider Phasen erfolgte durch den Münsterbauverein Essen e.V., verschiedene Stiftungen und auch private Spender. Geschlossen wurde der Essener Domschatz aber erst im September 2008. Die Objekte zogen für mehr als vier Monate zu einer spektakulären Schau im neuen Ruhr Museum in die alte Kohlenwäsche der Zeche Zollverein, die mehr als 40.000 Besucher anzog.
Der für den Neubau verantwortliche Dombaumeister Ralf Meyers hatte keine leichte Aufgabe, musste er sich doch in den Größenordnungen an den bestehenden Gebäuden orientieren und konnte nicht zu stark auf den Vorhof ausgreifen. Unter Berücksichtigung des Ensembles aus historischen und neuzeitlichen Gebäuden – Dom, Domschatzkammer, Bischofshaus – und des städtebaulich wichtigen Domhofes entstand ein neuer Eingangsbereich, der mit seinem hochaufragenden Aufzugsschacht und seiner großen Wandscheibe die Trennung zwischen dem alten Schatzkammergebäude aus dem 12. Jahrhundert und dem Nachkriegsgebäude markiert. Das eingeschossige Eingangsgebäude öffnet sich zum Domhof durch große Fensterflächen, die den Blick auf die Sandsteinfassade des 20. Jahrhunderts frei lassen.
Dem Münsterbauverein als Bauherrn war es ein besonderes Anliegen, den Essener Domschatz auch für Rollstuhlfahrer zugänglich zu machen. Die ebenfalls erfolgte Neugestaltung des Domhofes macht nun einen stufenlosen, barrierefreien Zugang von der Fußgängerzone bis in die Schatzkammer möglich.
Im Hauptraum des Erdgeschosses wird die neue Ausstellung dem Wunsch vieler Besucher gerecht und gibt Aufschlüsse zur Geschichte des Essener Frauenstiftes. Die Verehrung des hl. Altfrid, der Frauenkonvent und die Gemeinschaft der Stiftskanoniker werden anhand ausgewählter Kunstwerke vorgestellt. Zwei Medienstationen geben den Besuchern vertiefte Einblicke in Geschichte, Leben und Wirtschaft des Frauenstiftes und zeigen Bildnisse Essener Äbtissinnen.
Im Untergeschoss werden die frühmittelalterlichen Prunkstücke der Sammlung vor roten und sandfarbenen Wänden in Szene gesetzt. Ein Spalier bilden die vier ottonischen Vortragekreuze und lenken Blick und Schritt des Besuchers auf die Kreuzreliquie des Schatzes im Kreuznagelreliquiar.
Die historischen Schatzkammerräume aus dem 12. Jahrhundert im Obergeschoss beherbergen herausragende Handschriften des Essener Schatzes wie den Liber Ordinarius und den Essener Nekrolog. Auch das Essener Schwert und die Essener Krone finden den ihnen zustehenden Einzelplatz in den alten Gewölberäumen.
Gotische Armreliquiare, die Büstenreliquiare des hl. Engelbert und des hl. Marsus, gotische und barocke Ostensorien und Monstranzen geben im oberen Ausstellungsraum Zeugnis davon, dass auch nach der ottonischen Blütezeit Äbtissinnen und Stiftsfrauen kostbare Kunstwerke für den Schatz ihres Münsters anfertigen ließen.


Essener Krone © Domschatz Essen, Foto: Christian Diehl, Dortmund

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